Muršili I. – Der Babylon Feldzug, Teil 1

Nachdem ich in meinem letzten Beitrag über Muršili I. seine frühen Regierungsjahre beleuchtet habe, will ich nun zu dem Teil seiner Regierungszeit kommen für welche er in erster Linie in Erinnerung geblieben ist. Sein Feldzug gegen Babylon.

Die Eroberung Ḫalabs

Nachdem Muršili sich um die Probleme im Inneren gekümmert hatte, welche seine ersten Regierungsjahre plagten, konnte er seine Aufmerksamkeit nun nach Außen richten.
Sein Großvater hatte ihn in seinem Testament mit der Aufgabe betraut zu Ende zu bringen, was er selbst nicht mehr hatte vollbringen können. Die Zerstörung des Reiches von Jamḫad, welches durch Ḫattušilis Militäroperationen in Nordsyrien bereits auf ein kleines Gebiet um seine Hauptstadt Ḫalab (heute Aleppo) zusammen geschrumpft war.
Es wird angenommen, dass Ḫattušilis letzte militärische Unternehmung Halab zum Ziel hatte. Die Einnahme der Stadt scheiterte jedoch und Ḫattušili scheint bei der Belagerung der Stadt eine schwere Verletzung erlitten zu haben, an deren Folgen er schließlich in Kuššara verstarb.

Doch bevor er sich gegen Ḫalab wenden konnte, musste er zunächst die Städte Alalah, Ursu, Ḫassuwa und Hahha wieder unter Kontrolle bringen, welche die turbulenten letzten Jahre genutzt hatten um von den Hethitern abzufallen.
Nachdem dies getan war, war der Weg Halab offen und dieses Mal war die Stadt nicht in der Lage den Hethitern zu widerstehen. Muršili berichtet in seinen Analen, dass er nun Rache für den Tod seines Vaters genommen. Reichlich Beute habe er aus der Stadt fortgeführt und die restlichen Bewohner Ḫalabs deportiert.
Die Vernichtung Jamḫads als Rivale konsolidierte nicht nur den Status Ḫattis als Großmacht in der Region, sondern sicherte den Hethitern auch die Kontrolle über die wichtigen Handelsrouten Nordsyriens.

Gründe für den Babylon Feldzug

Mit der Eroberung Ḫalabs war nun der Weg nach Süden offen. Man mag geneigt sein die Eroberung Babylons, welches 1.200 Kilometer von der Hethitischen Hauptstadt Ḫattuša entfernt liegt, als ein militärisches Wunder zu sehen. Vielleicht vergleichbar mit dem Zug Alexanders des Großen bis nach Indien.
Jedoch waren die Bedingungen, welche Muršili vorfand, denkbar günstig. Unter anderem Umständen wäre eine solche Unternehmung wohl zum Scheitern verurteilt gewesen.

Doch ehe ich die politischen Gegebenheiten, welche Muršili in der Region vorfand, näher beleuchte, will ich zunächst auf mögliche Motive für Muršilis Expedition eingehen.
Ein mögliches Motiv des jungen Königs könnte schlichtweg Abenteuerlust und das Bestreben, die militärischen Leistungen seines Großvaters zu übertreffen, gewesen sein. Zudem galt Babylon in jener Zeit als das kulturelle Zentrum des Zweistromlandes und seine Symbolkraft sollte nicht unterschätzt werden.
Möglich ist es natürlich auch den Zug gegen Babylon als bloße Fortsetzung der Hethitischen Expansionspolitik nach Süden zu sehen, welche bereits unter Ḫattusili I. begonnen hatte.

Gegen die ersten beiden Argumente sprechen jedoch die sorgfältigen Vorbereitungen, welche vor dem Beginn der gefährlichen Expedition getroffen wurden. Der Babylon Feldzug scheint keine spontane Entscheidung des jungen Königs gewesen zu sein.
Deshalb ist es eher wahrscheinlich, dass eine weitere Expansion nach Süden zu den Langzeit Zielen der Hethiter gehörte.
Eine weitere Möglichkeit ist es, den Zug gegen Babylon als Racheakt zu sehen. Wir wissen das Babylon und Yamhad traditionelle Verbündete waren und es ist möglich, dass Babylon seinen Verbündeten gegen die neuerliche Hethitische Invasion beigestanden hat. Die Quellen erwähnen nichts dergleichen, doch ist die Quellenlage ohnehin sehr spärlich und zeichnen nur ein sehr Bruchstückhaftes Bild der damaligen Ereignisse. Und nicht nur auf Hethitischer Seite, sondern auch auf Seiten der Mesopotamischen Quellen.
Dies liegt in erster Linie daran, dass Muršilis Nachfolger Ḫantili, seinen Vorgänger zu delegitimieren versuchte und den Babylon Feldzug in seiner Propaganda als Sündhaftes Verhalten gegen die Götter darstellte.
Doch sollte Babylon Jamḫad beigestanden haben, wäre dies natürlich ein idealer Pretext für einen Vergeltungsschlag gewesen.

Politische Lage in Vorderasien zurzeit Muršili I.

Wie ich bereits sagte war die Ausgangslage für Mursili denkbar günstig. Mit der Eroberung Halabs war in der Region ein Machtvakuum entstanden, sodass es keine Macht mehr gab, welche ein Gegengewicht zu Hethitischen Expansionsbestrebungen in der Region hätte bilden können.
Spätere Groß- und Regionalmächte wie Elam, Mittani und Assur steckten noch in den Kinderschuhen. Ägypten war mit seinen Befreiungskriegen gegen die Hyksos beschäftigt und unfähig jenseits ihrer Grenzen effektiven Einfluss auszuüben.
Und Babylon selbst durchlebte ebenfalls eine Phase der Instabilität, wie die meisten seiner Nachbarn und hatte seine Glanzzeit längst hinter sich gelassen.
Das einzige was zwischen den Hethitern und Babylon stand waren die Kassiten und die Hurriter, welche in jener Zeit noch nicht in Staaten organisiert waren.
Doch scheint Muršili ein Bündnis mit den Kassiten geschlossen zu haben, was ihm nicht nur sicheres Geleit durch deren Territorium entlang des oberen Euphrat gewährte, sondern ihm zugleich auch die Hurriter im Osten vom Leib hielt. Damit lag der Weg nach Babylon offen.

Quellen
Klinger, Jörg: Die Hethiter, München, 2012
Soysal, Oguz: Muršili I. – Eine Historische Studie, Würzburg, 1989

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